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Mehr Architektur, weniger Excel dank elektronischer Bauteilkataloge

Geschrieben von Matthias Uhl | 20.05.2025 08:27:12

Mehr Zeit für Architektur dank elektronischer Bauteilkataloge

Ein Gespräch mit Sebastian Unterholzner von Drees & Sommer über das Ende der Excel-Hölle, den Anbruch einer neuen Planungsära und eine Lösung mit unspektakulärem Namen, die bereits die Planungswelt verändert.

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Es ist Mittwochmorgen, 8:30 Uhr. Johannes Meier, Architekt in einem mittelgroßen Büro, steht vor einem Problem: Der Bauherr möchte kurzfristig wissen, wie sich die CO₂-Bilanz verbessern würde, wenn man auf eine Holzkonstruktion umsteigen würde – natürlich ohne Abstriche bei Schallschutz und Brandschutzklasse.
Früher hieß das: Stunden in Excel-Listen graben, Fachplaner:innen anrufen, Datenblätter vergleichen und hoffen, dass nichts übersehen wird. Heute kann Architekt Meier auf eine Lösung zurückgreifen. Sie transformiert unter dem unspektakulären Namen „elektronischer Bauteilkatalog“ die Planungswelt: eine browserbasierte Datenbank, die Expertenwissen zu Materialien und Konstruktionen bündelt und direkt mit seinem BIM-Modell kommuniziert.

„Diese Situation erlebe ich täglich“, bestätigt Sebastian Unterholzner, Experte für digitale Planung bei Drees & Sommer. „Die meisten Planenden arbeiten mit einem Flickenteppich aus Listen und PDFs. Der Aufwand ist enorm, das Fehlerrisiko hoch.“

Was genau ist ein elektronischer Bauteilkatalog?

Anders als simple Produktdatenbanken sind elektronische Bauteilkataloge (eBTKs) intelligente, vernetzte Wissensspeicher. Sie enthalten nicht nur Einzelmaterialien, sondern komplette Bauteilaufbauten – vom Fußboden bis Außenwand.

„Ein elektronischer Bauteilkatalog funktioniert wie ein intelligentes Materiallager mit Gedächtnis“, erklärt Unterholzner. „Du hast dort alle zugehörigen Informationen: bauphysikalische Eigenschaften, Preise, Nachhaltigkeitsdaten – und das Ganze ist mit deinem Planungsmodell verknüpft.“
Das Besondere: Die Informationen sind intelligent verbunden. Wird ein Material ausgetauscht, aktualisieren sich alle abhängigen Werte – vom U-Wert bis zur CO₂-Bilanz.

Von Excel zum digitalen Zwilling

Was das in der Praxis bedeutet? Architekt Johannes Meier kann binnen Minuten verschiedene Wandaufbauten im Modell vergleichen, sofort die Auswirkungen auf die CO₂-Bilanz sehen und weiß gleichzeitig, ob alle technischen Anforderungen erfüllt werden. Kein Wühlen in Excel-Tabellen, keine Anrufe bei Fachplanenden, keine Unsicherheit.

„Elektronische Bauteilkataloge schaffen eine echte ‚Single Source of Truth`“, erklärt Unterholzner. „Alle Beteiligten arbeiten mit denselben, validierten Daten. Das reduziert Fehler dramatisch und beschleunigt den gesamten Planungsprozess.“

„Wir machen das schon immer so“

Trotz der offensichtlichen Vorteile sind eBTKs noch nicht flächendeckend im Einsatz. Warum?
„Die Baubranche ist traditionell konservativ“, sagt Unterholzner mit einem Schmunzeln. „Wir haben bisher komplexe Themen einfach ausgelagert. Wenn eine spezielle Anforderung wie Ökobilanzierung auftauchte, wurde ein weiterer Spezialist ins Boot geholt.“

Doch diese Zeiten gehen zu Ende. Steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit, gepaart mit Fachkräftemangel und Kostendruck, erzwingen ein Umdenken.

„Wir erleben einen perfekten Sturm der Komplexitätssteigerung“, betont Unterholzner. „Früher haben wir Gebäude mit dem Fokus auf Energiebedarf während der Nutzung betrachtet. Heute müssen wir jedes einzelne Material analysieren – seine Herkunft, seinen CO₂-Fußabdruck, seine Rezyklierbarkeit. Diese Komplexität ist mit Excel-Listen nicht mehr zu bewältigen.“

Beispiel aus der Praxis: Der Fußbodenaufbau

Ein typisches Beispiel aus Unterholzners Alltag: der Fußbodenaufbau.
„Ein Fußboden hat bestimmte Anforderungen an Schallschutz, Brandschutz und Nachhaltigkeit. Normalerweise bedeutet das: Tage mit Recherche und Abstimmungen.“

Mit einem eBTK geben Planende die Anforderungen ein und bekommen sofort validierte Aufbauten vorgeschlagen. Sie sehen alle relevanten Werte und können Varianten direkt im BIM-Modell vergleichen. „Was früher Tage dauerte, lässt sich heute in Minuten erledigen“, fasst Unterholzner zusammen. „Und die Entscheidung basiert auf echten, geprüften Daten, nicht auf Vermutungen.“

Vorteile für alle Beteiligten

Die Vorteile elektronischer Bauteilkataloge reichen weit:
•    Für Berufseinsteiger:innen: Sofortiger Zugriff auf bewährte Lösungen statt Lernen durch Fehler.
•    Für Projektleiter:innen: Weniger Abstimmungsrunden, mehr Planungssicherheit.
•    Für Nachhaltigkeitsexpert:innen: Ökobilanzen von Anfang an integriert.
•    Für Bauherr:innen: Mehr Transparenz und bessere Entscheidungsgrundlagen.

Besonders spannend: Lösungen wie der cockpit.planner eröffnen Zugriff auf EPEA-Nachhaltigkeitsdaten und Kreislauffähigkeitsanalysen schon in frühen Planungsphasen, wenn noch keine produktspezifischen Entscheidungen getroffen wurden.

Die Zukunft ist kollaborativ

Was Unterholzner sich für die Zukunft wünscht? „Eine kollaborativere und digitalere Planung“, sagt er ohne zu zögern. Wenn er etwas an der aktuellen Planungsrealität sofort ändern könnte, wären es „die endlosen Abstimmungsschleifen, bis alle Beteiligten auf demselben Stand sind.“

Elektronische Bauteilkataloge schaffen eine gemeinsame Wissensbasis und ermöglichen Entscheidungen auf Grundlage validierter Daten statt Bauchgefühl.

„Es geht nicht darum, Erfahrung zu ersetzen“, stellt Unterholzner klar. „Es geht darum, sie effizienter einzusetzen. Wenn Planerinnen und Planer nicht mehr stundenlang nach Daten suchen müssen, haben sie mehr Zeit für das, was wirklich zählt: gute Architektur und nachhaltige Lösungen.“

Oder wie unser Architekt Meier es ausdrücken würde: "Früher war ich Datensammler. Heute bin ich wieder Architekt."
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Sebastian Unterholzner ist Experte für digitale Planung und Bauphysik bei Drees & Sommer, einem der führenden Beratungsunternehmen für Bau und Immobilien in Europa. Mit seiner langjährigen Erfahrung trägt er dazu bei, Bauprojekte effizienter, nachhaltiger und qualitativ hochwertiger umzusetzen.